Montag, 14. Oktober 2013

Herbstgeflüster

Im Moment ist es schwierig bei mir. Vielleicht liegt es daran, dass die Tage kürzer werden und die Dunkelheit und trübe Stimmung immer länger.

Gestern war ich auf Opas Geburtstagsfeier und habe anschließend bei meinen Eltern übernachtet.
Positiv: ich lag die ganze Nacht neben meiner Katze, habe ihr glänzendes, weiches Fell ganz dicht an meinem Gesicht gehabt, hielt sie im Arm und habe mich in ihrem Schnurren verloren.
Negativ: Nachmittags gab es Streit mit meinem Vater. Wegen einer Lappalie. Es ging darum, dass mein rechter Scheibenwischer schlecht funktionierte und mein rechets Licht am Auto kaputt war. An die Glühbirne sind wir nicht herangekommen, das ist bei dem Auto ein bisschen schwer und kompliziert. Ich fragte ihn, welche Metallhebel ich zusammendrücken muss und in welche Richtung, ob gleichzeitig und so weiter. Er war total ungeduldig, wollte selber nochmal nachgucken, motzte mich total an. Ich verteidigte mich und so kam es zum Streit. Er meinte dann, dass ich morgen (also heute) ja in die Werkstatt ins Nachbardorf fahren kann.
Es hat mich so aufgeregt, dass er mir wieder vorschreiben wollte, was ich wann zu tun habe und wo ich hinfahren soll. "Und bloß nicht zu A.T.U., die sind teuer und verkaufen dir die teuersten Glühbirnen!" Jaja, Papa, du hast mit allem immer recht.

Mir fehlen gerade die richtigen Worte, um alles genau wiederzugeben. Ständig bevormundet er mich. Lässt mich gar nicht selbstständig werden. Heute Morgen ist er dann, nachdem er mit meinem Auto Brötchen gekauft hat, zur Werkstatt gefahren. Super. Kann ich mit meinen fast vierundzwanzig Jahren nicht ENDLICH meinen Kram alleine machen? Ich habe ihm gestern ausdrücklich gesagt, dass ich dann in die Werkstatt in meiner Stadt fahre und mich alleine kümmern möchte. Dennoch: heute Morgen hat er mit meinem Auto Brötchen geholt und war in der Werkstatt. Ich muss dazu sagen, dass mein Vater körperlich sehr krank ist und zeitweise im Rollstuhl sitzen muss. Ich versuche ihn zu entlasten, indem ich ihm meine Hilfe anbiete und gleichzeitig Neues lerne. Aber er lässt mich so gut wie gar nicht.

In der Klinik gab es ein Familiengespräch zwischen meinen Eltern, mir, einer Pflegekraft und einer Therapeutin. Dass ich meinem Vater dort gesagt habe, dass ich selbstständig werden möchte, hat wohl nicht gefruchtet. 
Gestern habe ich mich wieder so bevormundet gefühlt, dass ich heimlich im Bad geheult habe. Es war wieder eine Situation, wie viele aus meiner Vergangenheit. Tu dies und das und jenes, dies und das ist besser für mich, lass' mich das machen - du kannst das nicht.
Ich konnte mich von einem Rückfall fernhalten, hätte am liebsten aber einen der Einwegrasierer auseinandergebaut und direkt in meine Arme gejagt.

Allgemein wächst der Druck in mir momentan immer weiter. Vier Wochen bin ich jetzt zu Hause und von meinem Höhenflug der letzten Klinikwochen ist nicht mehr viel da. 

In der Klinik ist es wie in einem Kokon. Geschützt, sicher. Draußen spielt sich dann das reale Leben ab, auf dass man zwar vorbereitet wird und Werkzeuge mitbekommt, dennoch fällt die Umsetzung sehr schwer.

Heute Morgen war ich nach dem Frühstück beim Hausarzt, wegen der AU. Er sagte wieder, dass ich ganz anders auf ihn wirke als noch vor einige Monaten. Denke schon, dass ich viel erreicht habe und stolz sein kann. 

Als ich einen Blick auf die Diagnosen geworden habe, kamen mir fast die Tränen. Mit der Vorgeschichte werde ich wohl kaum einen Job finden. 
F60.31 G - Borderline Persönlichkeitsstörung
F43.9 G - nicht näher bezeichnete Reaktion auf schwere Belastung
F50.2 G - Bulimia nervosa
F38.8 G - sonstige nicht näher bezeichnete affektive Störungen

Mit dem Essen läuft es nicht so geil. Ich habe wieder mehr Angst davor, esse oft nachts und schlafe sogar währenddessen ein. Zögere Mahlzeiten hinaus, verabscheue Gesellschaftsessen...

Ich muss weiterkämpfen - und wenn es ein Leben lang ist.


Hinfallen.
Aufstehen.
Krone richten.

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